Welteroberer

Nicht nur der Mensch hat sich die Erde erobert – auch andere Tiere sind zu solchen Leistungen in der Lage. Ein aktuelles Beispiel ist eine aus Argentinien stammende, besonders angriffslustige Ameisenart (Linepithema humile). Sie hat sich inzwischen auf fünf Kontinenten eingenistet.

Am Mittelmeer haben die nur etwa 3 Millimeter großen Insekten (Königin bis 5 Millimeter) in den letzten Jahrzehnten die wohl größte Ameisenkolonie der Erde gegründet. Diese „Superkolonie“ besteht aus Millionen von Nestern, die sich über 6000 Kilometer entlang der Mittelmeerküste erstrecken. Zugute kommt der Argentinischen Ameise dabei die Gewohnheit, in neu besiedelten Gebieten Kolonien mit mehreren Königinnen zu bilden. Sie können sich daher über große Flächen ausdehnen und tun das nicht nur in Europa, sondern auch zum Beispiel an der Südküste Australiens über Hunderte von Kilometer. Das geschieht, indem in der Nähe eines alten Nestes ein weiteres gegründet wird. So kann sich die Art im Durchschnitt um 150 Meter pro Jahr ausbreiten.

Kein Wunder, dass die Argentinische Ameise zu den weltweit gefährlichsten Neueinwanderern gerechnet wird. Freilich ist sie nicht frostfest – das bremst ihre Ausbreitung zumindest in kühlere Regionen.

Die Tiere, die sich in Südeuropa ausgebreitet haben, stammen von Einwanderern ab, die vor 80 Jahren per Schiff nach Europa kamen. Sie alle verstehen sich offenbar als große Familie. Bringt man nämlich Tiere aus verschiedenen Gebieten zusammen, greifen sie einander nicht an – sie merken ihre enge Verwandtschaft. Ein Grund dafür ist der sogenannte Gründereffekt: Die ganze große Kolonie stammt von nur ganz wenigen Tieren ab, nämlich den wenigen eingeschleppten Exemplaren. Die Kolonie-Mitglieder ähneln sich daher genetisch sehr stark und riechen das auch. Ganz anders in ihrer Heimat – da sind die genetischen Unterschiede zwischen den Kolonien viel größer, so dass sie sich gegenseitig in Schach halten.

Andere Arten, besonders andere Ameisen, greifen sie aber sehr wohl an. Amerikanische Forscher haben kürzlich ihre Strategie erforscht. Zuerst attackieren sie sehr intensiv alle anderen Ameisenarten und verzehren die Tiere. Es dauert dabei nicht lange, und sie haben diese Arten kräftig zurückgedrängt.

In diesem Stadium aber variieren sie ihre Strategie: Jetzt übernehmen sie die Nahrungsressourcen der heimischen Ameisen, besonders die Stellen, wo Blattläuse süßen, energiereichen Honigtau produzieren. Auf diese Energie sind die Ameisen angewiesen. Der Verlust dieser Nahrungsquelle drängt also die einheimischen Arten noch weiter zurück. Im amerikanischen Ryce Canyon hatten sie auf diese Weise binnen weniger Jahre die Zahl der einheimischen Ameisenarten von 23 auf zwei verringert. Und auch in Südeuropa sind ihr bereits rund 90 Prozent der einheimischen Arten zum Opfer gefallen.

Die Verdrängung heimischer Arten durch die aggressiven Einwanderer ist ein großes Problem: Die Argentinische Ameise kann ganze Ökosysteme verändern – zum Beispiel, wenn sie heimische Insekten dezimiert, die wichtige Rollen im Naturhaushalt übernahmen, etwa als Bestäuber.