Verräterische Fingerabdrücke

Die Einführung der Fingerabdruck-Methode war einer der Meilensteine der Kriminalistik. Zwar wussten schon die alten Chinesen um die Einzigartigkeit der Fingerabdrücke, doch in der westlichen Welt werden sie erst seit gut 120 Jahren zur Verbrecherjagd eingesetzt. Doch neuerdings gibt es Methoden, mit denen die Abdrücke noch weit mehr verraten als nur die mögliche Identität. Sie können auch verraten, ob die Person Raucher war, ob sie Drogen nahm oder gar mit Sprengstoffen umging.

Zu den bedeutendsten Errungenschaften der Kriminalistik gehört die Erkenntnis, dass keine zwei Menschen auf der Erde die gleichen Muster der Tastlinien an den Fingerkuppen haben. Das gilt selbst für eineiige Zwillinge. Mehr noch – selbst nach einer Verletzung oder Verbrennung bleibt das Muster erhalten; die neugebildete Haut gleicht der alten aufs Haar. Und schließlich hinterlassen die Finger auf vielen Oberflächen, selbst auf Papier, einen Abdruck aus Schweiß, Talg und Salzen. Er kann mit geeigneten Mitteln sichtbar gemacht werden und ist dann ein unverwechselbares Kennzeichen.

Allerdings wäre es unmöglich, viele Fingerabdrücke rasch mit bloßem Auge zu vergleichen. Man hat daher Verfahren entwickelt, um die Muster mit ihren Bögen, Schleifen, Gabeln und Haken in Formeln aus Buchstaben und Ziffern festzuhalten, die schnell verglichen werden können. Nur deswegen lohnt es sich, von jedem ermittelten Täter die Fingerabdrücke festzuhalten und große Karteien zu unterhalten. Findet man am Tatort eines Verbrechens Abdrücke, die weder dem Opfer noch unverdächtigen Personen gehören, werden ihre Formeln ermittelt, und der Computer stellt in wenigen Sekunden fest, ob der Abdruck bereits in seinen Karteien gespeichert ist. Damit lassen sich der Name und weitere Informationen über den Täter ermitteln, wenn er schon in der Kartei vertreten ist. Vielleicht findet der Computer aber auch, dass schon bei einer anderen Tat diese Fingerabdrücke hinterlassen wurden, so dass das Strafkonto des Täters anwächst.

Heute werden in der Bundesrepublik Deutschland grundsätzlich von gewohnheitsmäßigen Rechtsbrechern, Landstreichern und Bettlern, soweit sie mit der Polizei zu tun bekommen, sowie unbekannten Toten die Abdrücke aller zehn Finger genommen und in den Computer gespeichert. Mittlerweile umfasst die AFIS-Sammlung (Automatisiertes Fingerabdruck-Identifizierungs-System) der Kriminalpolizei Abdrücke von fast 3 Millionen Menschen, und täglich kommen einige hundert neue dazu. Da die Täter nur selten ständig Handschuhe tragen, die das Tastgefühl beeinträchtigen, gibt es kaum einen Tatort ohne Fingerspuren. So werden pro Jahr allein in Deutschland Tausende von Tätern durch ihre Abdrücke ermittelt.

Um Fingerabdrücke sichtbar zu machen, gibt es zahlreiche Methoden, je nach Untergrund. Am einfachsten ist das Bestäuben mit feinem Pulver, das an den Schweiß- und Fettspuren des Abdrucks haften bleibt. Moderner sind chemische Verfahren oder das Bestrahlen mit einem Argon-Ionen-Laser, der Eiweißspuren im Abdruck zum Leuchten bringt.

Noch um einiges empfindlicher sind Verfahren, die gen- oder nanotechnische Erkenntnisse nutzen. Man kann etwa, so kürzlich ein Artikel in der Chemiker-Fachzeitschrift „Angewandte Chemie“,  den Abdruck heute mit Goldnanopartikeln behandeln. Sie tragen Antikörper gegen Aminosäuren (Eiweißbestandteile) und finden daher selbst Spuren davon. An diese Partikel wiederum sind Marker chemisch gebunden, die entweder im ultravioletten Licht leuchten oder von sich aus farbig sind.

Mit solchen Antikörpern, die sich außerordentlich spezifisch an bestimmte chemische Stoffe binden, lassen sich auch typische Inhaltsstoffe markieren, die vom Konsum von Drogen, vom Rauchen oder sogar von eingenommenen Medikamenten herrühren und mit dem Schweiß ausgeschieden werden. Mit der Methode lässt sich sogar feststellen, welche Drogen die Person genommen hat – auch wenn es mehrere verschiedene waren. Auf ähnliche Weise sind auch winzigste Reste von Sprengstoffen nachzuweisen, die noch an den Fingern klebten. Und weil unterschiedliche Personen nicht nur verschiedene Fingerabdrücke haben, sondern sich auch in der Zusammensetzung ihrer Proteine unterscheiden, lassen sich mit solchen Verfahren sogar übereinander liegende Fingerabdrücke optisch trennen.

Weiteres zum Thema Kriminalistik können Sie übrigens in meinem Buch lesen:

Kriminalistik, WAS IST WAS Band 98, Tessloff Verlag